Offener Brief zur aktuellen Situation im Studierendenwerk Heidelberg

Der AK Studentische Aushilfen beim Studierendenwerk hat den folgenden offener Brief zur aktuellen Situation im Studierendenwerk Heidelberg veröffentlicht:


Frau Ministerin T. Bauer
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
Königstraße 46
70173 Stuttgart

Heidelberg, den 01.08.2018

Offener Brief zur aktuellen Situation im Studierendenwerk Heidelberg

Sehr geehrte Frau Ministerin Bauer,

angesichts zahlreicher Probleme wenden sich die studentischen Beschäftigten des Studierendenwerks Heidelberg an Sie und bitten um Ihre Unterstützung.

Anlass für unser Schreiben ist die Entscheidung der Geschäftsführung unter Frau Ulrike Leiblein, ab Oktober dieses Jahres die Anzahl der studentischen Beschäftigten massiv zu kürzen, um diese anschließend durch neu angeworbene, nicht-studentische Festangestellte zu ersetzen. So wurden in den vergangenen Tagen zahlreiche Studierende per E-Mail durch die Personalabteilung darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihnen keine „Anschlussbeschäftigung“ angeboten wird. Da einige der Betroffenen studentische Beschäftigte sind, welche sich in der Vergangenheit für die Abschaffung der Tagesarbeitsverträge eingesetzt hatten, ist das Vorgehen der Geschäftsführung als Maßnahme zur Entlassung besonders kritischer Stimmen zu verstehen und deshalb nicht zu tolerieren.

Um ein besseres Verständnis für die derzeitige Situation zu schaffen, schildern wir Ihnen im Folgenden die (Fehl-)Entwicklungen der vergangenen Monate.

Wie Sie über die Presse erfahren haben, wurden bis Ende März dieses Jahres die studentischen Beschäftigten nicht direkt im Studierendenwerk beschäftigt, sondern über mehr als ein Jahrzehnt in dessen hundertprozentiger Tochter, der „Hochschul-Service-GmbH Heidelberg“. Dabei diente als Vertragsgrundlage für die rund 400 Beschäftigten kein „normaler“ Arbeitsvertrag, sondern die Studierenden wurden mittels sogenannter Tagesarbeitsverträge beschäftigt. Als Konsequenz hatten die Studierenden unter anderem keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, permanente Angst vor täglichen Kündigungen oder einen viel niedrigen Lohn als tarifvertraglich vereinbart.

Anfang Februar entschied sich die Geschäftsführung dazu, in einem informellen „Arbeitskreis“ die Probleme der Tagesarbeitsverträge zu thematisieren. Eingeladen wurden Studierende aus den zwei Standorten Altstadt und Neuenheim, sowie die Leiterin der Personalabteilung (Frau Schorb) und der Leiter der Hochschulgastronomie (Herr Neveling). Außerdem wurden Mitglieder des Personalrats eingeladen, welche sich (bis auf die Vorsitzende) nicht an der Diskussion beteiligten.

Hier ist in höchstem Maße zu kritisieren, dass weder die Gewerkschaft ver.di, noch Vertreter der Verfassten Studierendenschaft Zutritt zum „Arbeitskreis“ gewährt wurde. Auch hätten wir uns die Anwesenheit eines Ministeriumsmitarbeiters gewünscht, beispielsweise Herrn Dr. Barz, welcher auch im Verwaltungsrat des Studierendenwerks Mitglied ist. Aufgrund der asymmetrischen Verteilung der Interessen, fühlten sich die anwesenden Studierenden innerhalb des „Arbeitskreises“ größtenteils hilflos. Hieß es noch anfangs von der Geschäftsführung, die studentische Belegschaft würde „basisdemokratisch“ am Diskurs beteiligt werden, wurden die Studierenden ein paar Wochen später in der zweiten Sitzung vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch wurde trotz mehrmaliger Aufforderungen kein Protokoll zu den Sitzungen verschickt, sodass studentische Mitarbeiter zurecht die Intransparenz der Geschäftsführung kritisierten. Letztendlich erweckte der „Arbeitskreis“ eher den Eindruck, mehr Ablenkung dem Ministerium gegenüber zu sein, um der Geschäftsführung Zeit zu verschaffen, als ernsthaft die Probleme anzugehen und mit den Studierenden auf gleicher Augenhöhe zu diskutieren.

Hilfsweise möchten wir an dieser Stelle auf die Stellungnahme des Studierendenrats der Universität Heidelberg vom 13.03.2018 („Stellungnahme zur Causa HSH“) verweisen, welche wahrheitsgemäß und ausführlich über die Methoden der Geschäftsführung rund um den „Arbeitskreis“ und die Vertragsanbahnung berichtete.

Dank der Unterstützung durch die Gewerkschaft ver.di, arbeiten seit April nun die Studierenden im Studierendenwerk und nicht mehr in der HSH. Vertragsgrundlage ist der TV-L mit einer Vertragslaufzeit von sechs Monaten bei einer Probezeit von ebenfalls sechs Monaten. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der am Monatsende ausgezahlte Lohn nicht der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, sondern der vorher vertraglich individuell festgehaltenen monatlichen Arbeitszeit entspricht.

Die Vertragsabschlüsse verliefen nicht ohne Probleme. Zwei Mitarbeiter, von denen sich einer besonders stark für die Studierenden eingesetzt hatte (dieser war auch als studentischer Vertreter im „Arbeitskreis“), wurden nur unter der Bedingung weiterbeschäftigt, dass sie einem Einsatz an einem neuen Standort zustimmen. Begründet wurde dies von Herrn Neveling mit angeblich voll ausgereizten Kapazitäten am bisherigen Arbeitsplatz. Diese „Quasiversetzung“ diente letztendlich dem Zweck, ebenjene Mitarbeiter von den Studierenden zu trennen, was wir als besonders diskriminierendes Verhalten seitens der Geschäftsführung empfinden.

Hinzu kommt, dass sehr viele Studierende die Probezeit von sechs Monaten als unnötige Provokation sehen, da die Mehrheit der studentischen Beschäftigten schon vorher lange Zeit für das Studierendenwerk (HSH) gearbeitet hatte. Eine Probezeit erscheint hier als sinnwidrig.

Des Weiteren mussten die Studierenden in den darauffolgenden Monaten feststellen, dass die Geschäftsführung faktisch nicht an einer Deeskalation des Konflikts interessiert ist, sich gar antagonistisch verhält.

So führte das Studierendenwerk ab dem 01.04.2018 einen Einstellungsstopp für studentische Aushilfen ein. In der Folge gab es bereits im Sommersemester 2018 viele unterbesetzte Schichten, wodurch in den betroffenen Schichten erhebliche Mehrarbeit geleistet werden musste. Obwohl diese Situation der Leiterin der Personalabteilung Frau Schorb und der Geschäftsleitung Frau Leiblein bekannt war, blieben diesbezügliche Anfragen von Seiten der Caféleitungen unbeantwortet. Anfang Juli schaltete das Studierendenwerk Heidelberg Stellenanzeigen für (nichtstudentische) Restaurantfachfrauen und -männer. Diese Stellenausschreibungen beziehen sich exakt auf die Stellen, die bereits durch studentische Aushilfskräfte (im Besonderen sog. SchichtleiterInnen und TutorInnen) besetzt sind. Die Absicht dahinter scheint zu sein, einen Großteil der studentischen Aushilfen durch

Festangestellte zu ersetzen. Seit mehr als 20 Jahren ist es Teil des Konzepts von Café Botanik und Marstall, dass StudentInnen für StudentInnen arbeiten, ein Konzept, das bei der Studierendenschaft auf großen Zuspruch trifft und bisher reibungslos funktionierte. Dieses Konzept soll nun ohne die Angabe von Gründen und ohne gegenseitigen Austausch zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen scheinbar völlig verändert werden.

Bestärkt wird dies dadurch, dass seit Ende April mindestens ein Dutzend neue, nichtstudentische Festangestellte im Küchen- und Spülbereich innerhalb der Zeughaus-Mensa im Marstall eingestellt wurden.

Da diese Kostenstelle vorher größtenteils durch Studierende abgedeckt wurde, führte diese völlig unnötigen Neueinstellungen dazu, dass den Studierenden keine Arbeit mehr zugeteilt wurde. Obwohl einige der Betroffenen ihre Arbeitskraft ausdrücklich anboten, lehnte der Arbeitgeber die Annahme ab. Auch ein (von den betroffenen Studierenden unterschriebener) Beschwerdebrief an den Personalrat brachte keine signifikanten Verbesserungen. Die Konsequenz war vielmehr das Anhäufen von „Minusstunden“ auf ihrem Arbeitszeitkonto, sodass die Geschäftsführung sich dazu veranlasst sah, den Lohn für den Monat Juni / Juli (teilweise) einzubehalten. Als Alternative schlug sie den betroffenen Studierenden vor, die vertraglich festgeschrieben wöchentlichen Arbeitsstunden massiv rückwirkend zu kürzen (beispielsweise auf eine Stunde pro Woche). Wir sehen in den vollkommen überflüssigen Neueinstellungen und dem anschließendem Verhalten der Geschäftsführung den Versuch, unbequeme Beschäftigte loszuwerden.

Wie bereits angedeutet, variieren die Probleme nach Standort und Kostenstelle teilweise stark. So leidet mancher Standort an chronischer Unterbesetzung, schlechten Arbeitszuständen oder anderen Problemen, wie exzessiver Vetternwirtschaft. Auch kam es im Zuge des Konflikts zu einer Spaltung innerhalb der Belegschaft (zwischen studentisch Beschäftigten und Festangestellten), die auch durch die Geschäftsführung und dem Leiter der Hochschulgastronomie mitprovoziert wurde.

Auch scheint die Eingruppierung der studentischen Belegschaft, größtenteils in die Entgeltgruppe 1 und vereinzelt in die Entgeltgruppe 2, nicht angemessen zu sein. So werden je nach Standort und Kostenstelle Tätigkeiten ausgeübt, die eine höhere Entlohnung erforderlich machen, wenn man die Tätigkeitsmerkmale des TV-L zugrunde legt.

Die Beschwerde bezieht sich aber vor allen Dingen auf die Art und Weise, wie mit der gesamten Situation aktuell umgegangen wird. Als wir von den Stellenausschreibungen erfuhren, baten wir um konkretere Informationen bezüglich der geplanten Umstrukturierungen und der Zukunft der studentischen Aushilfen beim Studierendenwerk. Dazu wurde jedoch keine genauere Auskunft gegeben. Selbst der Leiter der Hochschulgastronomie Herr Neveling konnte nach eigener Aussage aus Unwissenheit keine Angaben dazu machen. Die einzige Information die wir erhielten war, dass jeder persönlich Ende Juli erfahren würde, ob es überhaupt zu einer Vertragsverlängerung kommt. Da wir mit dieser Information nicht zufrieden waren, baten einige von uns im Namen aller studentischen Aushilfen des Café Botaniks und Marstalls, die Geschäftsleitung Frau Leiblein um einen Gesprächstermin. Diese Anfrage wurde ignoriert; am darauffolgenden Tag erhielt jede studentische Aushilfskraft per Mail Auskunft über das weitere

Beschäftigungsverhältnis: Jede studentische Aushilfskraft, die sich jemals namentlich für eine bessere Kommunikation zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, sowie für die Belange der Studierenden eingesetzt hatte, erhielt kein Verlängerungsangebot. Darüber hinaus scheinen die weiteren Kriterien für oder gegen eine Vertragsverlängerung von reiner Willkür geprägt zu sein. Nach unserem bisherigen Wissensstand handelt es sich um etwa 40 nicht verlängerte Verträge im Café Botanik und Marstall. Am Tag der Benachrichtigung an die Studierenden, war die Personalabteilung schlichtweg nicht erreichbar. Kriterien für oder wider einer Verlängerung wurden bisher nicht genannt. Gerade das nicht Einbeziehen der Caféleitungen, die ihre Mitarbeiterinnen im Gegensatz zur Personalabteilung persönlich kennen und ihre Leistung aufgrund dessen tatsächlich beurteilen können, ist für uns ein Zeichen, dass es andere willkürliche und persönliche Gründe für eine Nichtverlängerung gegeben haben muss.

Die Kommunikation und Umgangsweise im Studierendenwerk Heidelberg unter der Leitung von Frau Leiblein, Herrn Neveling und Frau Schorb sind einer modernen, öffentlich-rechtlichen Einrichtung nicht würdig. Die aktuelle Situation und der damit verbundene Umgang fördert die Misstrauens- und Angstkultur, die unter den MitarbeiternInnen und Abteilungen im Studierendenwerk geschaffen wird. Denn es wird von Seiten der Geschäftsführung eine Politik des Eigeninteresses und der Rache betrieben, die darin begründet scheint, jeden mundtot zu machen, der seine Meinung offen äußert. Es kann kein Zufall sein, dass beinahe alle studentischen Mitglieder der damaligen „Arbeitsgruppe“, als auch studentische Beschäftigte, welche ehrenamtlich in der Vertreterversammlung des Studierendenwerks Mitglied sind, keine Anschlussbeschäftigung erhalten.

Eine garantierte und vollumfassende solidarische Unterstützung von Seiten des Personalrats ist ungewiss. War dieser früher tatsächlich und rechtlich nicht in der Lage uns zu vertreten (weil dafür in der HSH separat ein Betriebsrat hätte gegründet werden müssen, was aufgrund der Tagesarbeitsverträge von Seiten der Geschäftsführung de facto unterbunden wurde), ist er aufgrund seiner Zusammensetzung tatsächlich nicht in der Lage, eine zufriedenstellende Vertretung der studentischen Arbeitnehmerinteressen zu gewährleisten. Grund hierfür ist zunächst die Tatsache, dass kein studentischer Vertreter Mitglied des Personalrats ist. Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Mentalitäten vereinzelter Personalratsmitglieder So vertreten diese die Auffassung (aber auch die Geschäftsführung, der Leiter der Hochschulgastronomie und Teile der Festangestellten) man müsse zwischen Studierenden und Arbeitnehmern (Festangestellten) unterscheiden. Sinngemäß herrscht weitläufig der Gedanke, wir seien ja nur Studierende und hätten gefälligst das anzunehmen, was man uns anbietet – völlig gleich ob es mit arbeitsrechtlichen Mindeststandards oder dergleichen vereinbar ist. Zum anderen fehlt es den Personalratsmitgliedern häufig in höchstem Maße an elementaren Grundkenntnissen von Arbeitsrecht und deren Mitbestimmungsmöglichkeiten, was inakzeptabel ist für eine solch wichtige Institution.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geschäftsführung, der Leiter der Hochschulgastronomie und die Leiterin der Personalabteilung ein Missmanagement zulasten der studentischen Beschäftigten betreiben, welches diametral den eigentlichen Aufgaben und Pflichten eines Studierendenwerks, nämlich der sozialen Betreuung und Förderung der

Studierenden, entgegensteht. Statt auf einem Neuanfang aufzubauen, setzte man auf Provokation und ablehnende Hilfsbereitschaft.

Ein Studierendenwerk, das Serviceleister für Studierende sein möchte und diese fördern und betreuen will, sollte auch weiterhin studentische Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Seit mehr als 20 Jahren sind diese Arbeitsplätze für viele Studierende eine wichtige Möglichkeit der Studienfinanzierung. Gleichzeitig dürfen Beschäftigte, die sich für die Durchsetzung gesetzlicher Schutzvorschiften einsetzen, nicht für ihr Engagement bestraft werden.

Wir bitten Sie daher in diesem offenen Brief um Ihre Unterstützung, damit studentische Arbeitsplätze in Heidelberg als Mittel der Studienfinanzierung erhalten bleiben können. Für ein Treffen und Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Kontakt

StuRabüro | Sozialreferat

Albert-Ueberle-Str. 3-5
69120 Heidelberg
Tel.: 06221/ 54-2456
E-Mail: soziales@stura.uni-heidelberg.de

Hochachtungsvoll,
Studentische Beschäftigte des Studierendenwerks Heidelberg